Die essenzielle, fehlende Hälfte von Getting Things Done
Da ich David Allens’ System aus Wie ich die Dinge geregelt kriege (im Original: Getting Things Done nun seit einigen Jahren nutze, habe ich viele Verbesserungen vorgenommen, die meinem eigenen Stil entgegenkommen. Die Wichtigste ist, dass ich den niedrigen Projekt-Handlungs-Fokus von GTD mit meinem eigenen hoch-angesetzen Fokus auf Sinn und Ziel verbunden habe.
Mein persönliches GTD-System beginnt mit dem Sinn. Dazu habe ich einen Satz, der meine Lebenssinn beschreibt und eine längere Beschreibung meiner Mission. Meine Missionsbeschreibung bricht meinen höheren Sinn und Zweck auf verschiedene Lebensbereiche herunter:
- Physisches
- Soziales
- Mentales
- Karriere
- Spirituelles
- …
Ich habe in den letzten paar Jahren nur sehr unwesentliche Veränderungen an meiner Missionsbeschreibung vorgenommen, weil sie mir absolut passend erscheint. Mein Sinn und meine Mission fungieren als mein Anker, da sie sich jedes Jahr nur wenig verändern. Auf dieser Ebene bin ich absolut nicht auf Ziele, Projekte oder Handlungen fokussiert. Es dreht sich mehr darum, wer ich sein will, sodass es mehr um Prinzipien und Charakter geht. Es geht sogar einen Schritt über Werte hinaus (die sich über die Zeit verändern können). Mein Sinn und meine Mission sagen also auf einer hohen Ebene aus, wer ich bin, was ich hier tun will und welche Bedeutung ich meinem Leben geben will.
Eine Ebene weiter unten geht es um Ziele. Alle meine Ziele basieren entweder auf Bedürfnissen oder auf Sinn. Bedürfnis-Ziele sind größtenteils keine motivierende Ziele. Wenn ich zum Beispiel kein gutes Buchaltungssystem für mein Unternehmen erstelle, werde ich im Chaos enden. Das ist etwas, was ich tun muss, aber es trägt nicht unmittelbar zu meinem Sinn bei. Aber etwa 80 % meiner Ziele sind Sinn-getrieben; sie sind meine motivierenden Ziele, die aus meinem Sinn und meiner Mission entstehen. Nahezu alle meine Ziele für diese Webseite sind Sinn-getrieben. Diese Seite hat sehr wenig damit zu tun, meine Bedürfnisse zu befriedigen; es geht nur darum, meinen Sinn zu erfüllen.
Nach der Ziele-Ebene kommen wir nun zum Standard-GTD. Hier geht es nun um Projekte, und Projekte gehen aus Zielen hervor. Diese Ebene beinhaltet auch einige “Eines-Tages”-/“Vielleicht”-Punkte, welche ich auf einer separaten Liste führe.
Unter dieser Ebene geht es um die nächsten Handlungen (Next Actions). Auf dieser Ebene führe ich auch meine “Warten-auf”-Liste (Waiting for). Normalerweise habe ich nur jeweils 4-5 “Warten-auf”-Punkte, sodass ich sie unten an meine “Nächste-Handlungen”-Liste anhängen kann.
Ich liebe das Standard-GTD-System, aber es ist ein System auf einer niedrigen Ebene. Es ist wunderbar, um Projekte und Maßnahmen zu managen. Die Resultate waren für mich erstaunlich und ich bin wirklich gut darin geworden, es anzuwenden. Ich nutze es immer noch jeden Tag, sogar für meine persönlichen Projekte und Aufgaben. Und ich liebe die Ergebnisse: Mein E-Mail-Postfach ist leer. Mein Briefkasten ist leer. Ich lasse meine E-Mail-Postfach oder meinen Postkasten nie zu voll werden. Ich bekomme täglich viele E-Mails und in meinem Postkasten liegen jeden Tag neue Zeitungen. Aber ich arbeite sie immer auf, bis beide Posteingänge leer sind. Und ich fühle mich sehr entspannt und konzentriert, fühle mich fähig, mich leicht zu konzentrieren, ohne mich um E-Mails zu sorgen, die ich noch beantworten muss. Ich habe nirgends Papierstapel in meinem Büro. Alles, was ich aufheben muss, ist sauber weggeheftet. Das GTD-System funktioniert wirklich blendend, wenn man dran bleibt. Ich brauchte einige Monate, um wirklich damit warm zu werden, aber es war die Mühe wirklich wert.
Höhere Ebenen bei “Getting Things Done”
Was bei GTD aber fehlt, ist der Teil auf der höheren Ebene. Es beginnt auf der Projektebene, aber woher kommen diese Projekte? Ich denke, dass die Annahme hinter GTD ist, dass diese Projekte einem vom Chef oder von der Firma aufgetragen werden. Oder vielleicht leitet man sein eigenes Unternehmen und hat nur viele ältere Projekte angehäuft, bevor man von GTD hört. Aber woher weiß man, dass die Projekte es überhaupt wert sind, bearbeitet zu werden? Wie weiß man, ob man überhaupt im richtigen Beruf arbeitet? Anstatt besser und besser durch seine bestehende Arbeit zu pflügen—macht es nicht Sinn, einen Schritt zurückzutreten und herauszufinden, ob die Leiter zum Erfolg überhaupt am richtigen Gebäude lehnt? Wie nutzt man GTD im Privatleben? Woher kommen persönliche Projekte?
Meiner Meinung nach, ist die höhere Ebene, welche im Standardsystem von GTD fehlt, unentbehrlich. Es macht keinen Sinn Standard-GTD blind anzuwenden, bevor man sich nicht über die höchsten Elemente, wie Sinn, Mission und Ziele, klar geworden ist. Ansonsten ist man verdammt, sein Leben damit zu verbringen, an Zielen anderer zu arbeiten und sich selbst in diesem Prozess zu verlieren. Der vorherige Eintrag enthält mehr Informationen dazu.
Um es einfach zu machen … Standard-GTD wird einen lehren, wie man Dinge richtig erledigt. Es ist insofern sehr effektiv. Aber bevor man sich damit beschäftigt, Dinge richtig zu tun, muss man erstmal herausfinden, was es ist, das man tun sollte. Allgemeinhin wird dies als der Unterschied zwischen Management und Führerschaft gesehen: Manager machen Dinge richtig; Anführer machen die für sie richtigen Dinge. Standard-GTD ist ein System für persönliches Management. Aber es ist essenziell, dass man auch ein System hat, das einen selbst führt. Wenn man GTD anwendet ohne die “Lebensführungselemente” zu nutzen, wird das Leben wie ein Schiff sein, welches zwar gut geführt wird, aber dass keinen Kapitän und kein Ziel hat. Es wird mit äußerster Effizienz willkürlich herumschippern.
Ich schaff das!
Auch in David Allens zweitem Buch Ich schaff das! (im Original: Making It All Work fehlt das Element der persönlichen Führung. Man sollte den Titel betrachten. Man schafft alles. Aber was ist alles? Man ist bereit zu handeln, bereit, Dinge zu schaffen. Aber welche Dinge? Wer wählt sie aus? Welche Art Mensch würde den Zustand des Bereitseins über alles andere stellen? Vielleicht ein Künstler der Martial Arts. Aber vielleicht auch ein Sklave.
Ich möchte wiederholen, dass ich ein großer Fan von David Allens Arbeit bin. Sie hat für meine eigene Produktivität Wunder bewirkt. Aber bevor ich die Elemente hinzufügte, die mich an einem höheren Sinn arbeiten ließen, war es, als ob ich durch GTD immer besser wurde, im Kreis zu fahren. Durch die Sinn-Elemente gibt es nun eine klare, fokussierte Richtung, die sich nur wenig ändert. Ich finde, dass ich nicht nur jeden Tag viel schaffe, sondern auch, dass ich einen Unterschied mache und dass ich in eine Richtung gehe, die bedeutungsvoll und wichtig ist. Persönliche Produktivität verwandelte sich in persönliche Erfüllung.
Bevor man Dinge erledigen kann, muss man die Dinge, die man tun will, bewusst wählen. Bevor man sich in den Zustand der Bereitschaft begibt, muss man bewusst definieren, wozu man bereit ist. Seinen Lebenssinn zu kennen, ist die Antwort. Er sorgt für den Sinnzusammenhang und die Bereitschaft, zu handeln. Gewöhnliche Bereitschaft wird so zu einer “Bereitschaft zu sprechen”, “Bereitschaft zu schreiben”, “Bereitschaft zu lieben” etc. Sinn ergibt aus “Dinge regeln” ein “dem Leben Sinn geben”. Wenn man dann schließlich auf der Ebene von Projekten und Maßnahmen handelt, sind diese mit Sinn erfüllt. Mit dem eigenen Sinn. Mit der eigenen Mission. Dem Grund der eigenen Existenz. Jedes Blatt Papier, das man abheftet, jedes Wort, das man schreibt, jedes Projekt, das man vervollständigt—sie bedeuten nun etwas. Sie sind ein Teil eines größeren Ganzen, ein tiefer Ausdruck von dem, der man wirklich ist. Dieselben Handlungen werden jedoch leblos, wenn sie blind von jemanden anders ohne höheren Sinn ausgeführt werden. Eben nur Dinge, die man regelt, anstatt ein höherer Sinn, der erfüllt wird.