Wie man sofort aufsteht, wenn der Wecker klingelt

 Steve Pavlina & Stephan Schubert·

Ist es schwer direkt aufzustehen, wenn der Wecker morgens klingelt? Drückt man vielleicht direkt auf Snooze/Schlummern und schläft wieder ein?

Das war auch Teil meines täglichen Aufwachrituals. Wenn mein Wecker seinen höllischen Lärm losplärrte, stellte ich ihn direkt aus. Dann überlegte ich langsam mit noch vernebeltem Hirn, ob ich wirklich aufstehen sollte:

Es ist so schön warm unter der Decke. Wenn ich aufstehe, wird es kalt sein. Das wird nicht schön sein.

Oh, ich sollte jetzt wirklich aufstehen. Los, Beine, bewegt euch. Lauft, lauft. Hm, so funktioniert das nicht mit den Beinen, oder? Die hören nicht auf mich.

Ich sollte zum Sport gehen, ja. Aber eigentlich fühle ich mich gerade nicht nach Sport. Ich hab ja noch gar nicht gefrühstückt. Vielleicht sollte ich erstmal einen Muffin essen, Banane-Nuss. Der ist lecker.

Vielleicht versuche ich ja ständig, zu früh aufzustehen? Ich bin ja immer noch müde, nicht? Vielleicht ist es ja unnatürlich mit einem Wecker aufzustehen. Würde ich mit mehr Schlaf nicht besser funktionieren?

Ich muss ja nicht direkt in dieser Minute aufstehen, oder? Ich kann ja einfach noch 5 Minuten liegen bleiben. Die Welt geht ja nicht unter, nur weil ich nicht gleich aufstehe.

Ich wette, meine Frau ist auch schön warm gerade. Sie hat mir zwar gesagt, dass sie es hasst, wenn ich mich um 6 Uhr an sie kuschle, aber egal … sie liebt mich schon genug, um mir zu vergeben. I weiß schon … ich werd ihr erstmal den Rücken und Schultern massieren. Einer guten Massage kann sie nicht widerstehen, nicht mal früh am Morgen. Dann geh ich in Kopfkraulen über. Ja, das wird gut. Und dann werd ich direkt in die Löffelchenstellung rutschen. Das wird doch angenehm, den Tag so zu beginnen.

Zzzzz schnarch … schnarch …

Zwei Stunden später …

Ich: “Wie spät ist es? Ich erinnere mich nicht mal daran, dass der Wecker geklingelt hat. Das war aber kuschlig. Dann werd ich den Sport heut wohl ausfallen lassen.”

Meine Frau: “Warum stellst du dir nur immer den Wecker, wenn du ja doch nicht aufstehst, wenn er klingelt?”

Ich: “Oh, dachtest du wirklich, das war mein Aufwach-Wecker? Das war nur mein Weiter-Dösen-Wecker.”

Okay, also eigentlich war meine Absicht nicht, dass ich dann weiter döse, aber mein vernebelter Kopf hat mich direkt wieder in den Schlaf getrieben.

Vorspulen zum heutigen Tag …

Mein Wecker klingelt zwischen 4:00 und 5:00 Uhr … niemals später als 5:00, nicht mal an Wochenenden und im Urlaub. Ich stelle den Wecker innerhalb von Sekunden aus. Ich atme einmal tief ein, stecke meine Glieder in alle Richtungen für zwei Sekunden. Bald berühren meine Beine schon den Boden und ich ziehe mich schon an, während meine Frau weiter schläft. Ich gehe runter und hole mir etwas Obst, schaue schnell, ob ich E-Mails beantworten muss und los geht’s zum Fitnessstudio um 5:15 Uhr.

Da ist aber keine Stimme in meinem Kopf, die mit mir diskutiert, was ich tun soll. Da gibt es nicht einmal eine positive Stimme dieses Mal—es gibt sie einfach gar nicht. Das alles passiert per Auto-Pilot, sogar bevor ich wirklich richtig wach bin. Ich kann nicht einmal behaupten, dass ich jeden Morgen Selbstdisziplin brauche, weil es einfach eine konditionierte Reaktion ist. Es ist wie als ob mein Bewusstsein nur mitfährt, während mein Unterbewusstsein meinen Körper kontrolliert. Wenn mein Wecker morgens klingelt, dann reagiere ich wie Pawlows Hunde. Es wäre für mich ehrlich gesagt schwieriger, liegen zu bleiben, wenn mein Wecker klingelt.

Wie kommt man also von Szenario 1 zu Szenario 2?

Zunächst betrachten wir das Problem, wie die meisten es angehen würden—was ich als den falschen Weg betrachte.

Der falsche Weg ist es, seine bewusste Willenskraft zu nutzen, um sich aus dem Bett zu bekommen. Das mag ab und zu funktionieren—aber sein wir mal ehrlich, man wird nicht immer klar denken, wenn der Wecker klingelt. Man ist oft noch ganz vernebelt. Die Entscheidungen, die man in diesem Zustand fällt, werden nicht unbedingt immer die sein, die man fällen würde, wäre man richtig wach. Man kann sich selbst nicht wirklich trauen und sollte es auch nicht.

Wenn man diesen Ansatz nutzt, wird man wohl in eine Falle tappen. Man entscheidet, zu einer bestimmten Zeit aufzustehen, aber nimmt diese Entscheidung zurück, wenn der Wecker klingelt. Um 22 Uhr entscheidet man, dass es eine gute Idee wäre, 5:00 Uhr morgens aufzustehen. Aber um 5:00 Uhr entscheidet man, dass es besser wäre, erst um 8:00 Uhr aufzustehen. Aber seien wir mal ehrlich, die Entscheidung von 22:00 Uhr war die, die man wirklich durchführen wollte … wenn man nur sein 5:00-Selbst dazu bringen könnte, mitzumachen.

Manche Leute werden denken, dass sie einfach mehr Diszplin benötigen. Das stimmt aber nur zum Teil und wahrscheinlich nicht so, wie man vermuten würde. Wenn man 5:00 Uhr aufstehen will, braucht man nicht mehr Disziplin um 5:00 Uhr. Was man nicht braucht, sind:

  • Selbstüberzeugungsversuche
  • 2—3 im Zimmer verteilte Wecker oder
  • einen hoch entwickelten Wecker mit Technologie, die die NASA auch in Astronautentoiletten verwendet.

Man braucht vor allem mehr Disziplin, wenn man richtig wach ist: die Disziplin, zu wissen, dass man sich nicht zutrauen kann, intelligente und bewusste Entscheidungen zu fällen, wenn man gerade aufgewacht ist. Man braucht die Disziplin zu akzeptieren, dass man um 5:00 nicht die richtige Entscheidung treffen wird. Der 5:00-Coach ist nicht gut, also muss er weg.

Was ist dann also die richtige Lösung? Die Lösung ist, das Problem abzugeben— und zwar an das Unterbewusstsein. Das Bewusstsein wird einfach herausgelassen.

Wie macht man das nun wieder? Genauso, wie man jede andere wiederholbare Fähigkeit erlernt hat. Man übt, bis es zur Routine wird. Irgendwann wird das Unterbewusstsein übernehmen und das Skript auf Auto-Pilot abspielen.

Das klingt erstmal dumm, aber es funktioniert. Man muss üben, sofort aufzustehen, wenn der Wecker klingelt. Richtig—üben. Aber nicht unbedingt morgens. Man kann es auch am Tag üben, wenn man wirklich wach ist.

Am Tag üben—in der Nacht profitieren

Man geht ins Schlafzimmer und richtet alles möglichst so ein, als wäre es zu der Zeit, zu der man aufstehen möchte. Man sollte den Raum abdunkeln oder am Abend nach dem Sonnenuntergang üben, wenn es sowieso schon dunkel ist. Wenn man in einem Schlafanzug schläft, zieht man ihn an. Wenn man die Zähne putzt, bevor man ins Bett geht, putzt man die Zähne. Wenn man die Brille ab- oder Kontaktlinsen herausnimmt, wenn man schläft, macht man das ebenso.

Dann stellt man den Wecker für in ein paar Minuten. Man legt sich hin, wie man liegen würde, wenn man wirklich schlafen würde und schließt die Augen. Man legt sich in die bevorzugte Schlafposition. Und stellt sich vor, es ist früh am Morgen, nur einige Minuten vor der angestrebten Zeit zum Aufstehen. Man visualisiert einen Traum oder lässt die Gedanken schweifen.

Wenn nun der Wecker klingelt, stellt man ihn so schnell aus, wie man kann. Dann atmet man einmal tief durch und streckt alle Glieder in alle Richtungen für einige Sekunden, wie man sich strecken würde, wenn man gähnt. Dann setzt man sich hin, stellt seine Füße auf den Boden und steht auf. Man grinst richtig breit. Dann fährt man mit der nächsten Handlung fort, die man nach dem Aufstehen unternehmen würde. Für mich ist es das Anziehen.

Nun kann man sich schütteln, alles wieder so einrichten, als wäre es kurz bevor man aufsteht, den Wecker wieder stellen und alles wiederholen. Das macht man solange, bis es automatisch wird und man das ganze Ritual ausführt, ohne darüber nachzudenken. Wenn man sich im Kopf immer noch vorsagen muss, was der nächste Schritt ist, ist man noch nicht am Ziel.

Man kann ruhig mehrmals an verschiedenen Tagen üben. Man kann es betrachten, als ob man im Fitnessstudio trainiert. Man kann ruhig ein-, zweimal mit 3-10 Wiederholungen am Tag zu verschiedenen Zeiten üben.

Ja, man wird ein wenig Zeit brauchen, um dies umzusetzen, aber es ist nichts verglichen mit der Zeit, die man auf lange Sicht spart. Einige Stunden Übung heute können hunderte von Stunden jedes Jahr sparen.

Mit genügend Übung—ich kann keine genaue Schätzung abgeben, da jeder unterschiedlich viel Zeit benötigt—wird man eine andere konditionierte Reaktion mit dem Klingeln des Weckers verbinden. Wenn der Wecker klingelt, wird man automatisch aufstehen ohne überhaupt darüber nachzudenken. Je öfter man das Muster benutzt, desto stärker wird es. Irgendwann wird es unangenehm sein, nicht aufzustehen, wenn der Wecker klingelt. Es wird sich anfühlen, wie wenn man mit dem falschen zuerst Bein in die Hose steigt.

Man kann auch im Geist üben, wenn man gut im Visualisieren ist. Mental zu üben, geht schneller, aber ich denke, das Beste ist es, dass Ganze auch physisch zu durchlaufen. Es gibt subtile Details, die man vergessen könnte, wenn man nur mental übt und man möchte dem Unterbewusstsein ja eine möglichst reale Erfahrung bieten. Wenn man also im Geist übt, sollte man wenigstens zuerst einige physische Übungseinheiten durchgeführt haben.

Je mehr man das Ritual des Aufstehens übt, desto tiefer wird es in das Unterbewusstsein sinken. Der Wecker klingelt → direkt aufstehen. Der Wecker klingelt → direkt aufstehen. Der Wecker klingelt → direkt aufstehen.

Wenn es einmal eine tägliche Gewohnheit wird, wird man tagsüber nicht mehr üben müssen. Diese Art Gewohnheit verstärkt sich von selbst. Man muss nur einmal die Zeit der Konditionierung durchmachen. Danach ist diese Gewohnheit prinzipiell ein Leben lang vorhanden, bis man sich entschließt, die zu ändern. Sogar wenn man die Gewohnheit für einige Zeit ablegt (wie zum Beispiel ein längerer Urlaub in einer anderen Zeitzone), wird man leichter dazu zurück finden. Man kann dies betrachten wie das Muskelgedächtnis. Wenn man einmal das Muster drin hat, wird es auch noch da sein, wenn man es einige Zeit brach liegen lässt.

Jedes Handlungsschema, dass man anwendet, wenn der Wecker klingelt, wird sich selbst verstärken, wenn man es oft genug wiederholt. Wahrscheinlich hat man auch schon ein Ritual zum Aufwachen etabliert, aber vielleicht ist es eins, das man nicht besonders gut leiden kann. Je öfter man das etablierte Muster wiederholt, desto tiefer wird es im Unterbewussten verankert. Jedes Mal, wenn man nicht aufsteht, wenn der Wecker klingelt, wird dieses Programm immer mehr die natürliche physiologische Reaktion auf den Reiz “Wecker klingelt”. Wenn man dieses Verhalten ändern will, muss man ein ernsthaftes Programm zur Neukonditionierung aufnehmen, wie das, was ich bereits beschrieben habe.

Sich selbst Vorwürfe wegen seiner schlechten Aufwach-Gewohnheiten zu machen, wird nicht helfen—tatsächlich wird man nur das Muster der Selbstvorwürfe konditionieren als Teil der Routine, die man gerade versucht, zu verändern. Man wird dann nicht nur nicht aufstehen, wenn der Wecker klingelt, man wird sich auch noch automatisch Vorwürfe deswegen machen. Wie blöd ist das denn? Will man wirklich dieses doofe Muster sein Leben lang am Hals haben? Genau das wird passieren, wenn man nicht ein günstigeres Muster konditioniert. Zum Guten oder zum Schlechten, Gewohnheiten machen den Menschen.

Das Jahr um 14 Tage verlängern

Wenn man dann das erwünschte Aufwach-Ritual etabliert hat, sollte man täglich dabei bleiben—7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Für die ersten 30 Tage sollte man den Wecker jeden Tag um dieselbe Zeit klingeln lassen. Wenn die Gewohnheit einmal etabliert ist, kann man die Zeiten zum Aufstehen auch variieren oder ab und an auch ohne Wecker aufzustehen, um auszuschlafen, aber bis dahin, sollte man sich streng an das Muster halten. Auf diesem Weg wird es zum Standardverhalten werden und man kann ab und an einmal etwas verändern ohne ernsthaft zu riskieren, das eingeübte Verhalten zu dekonditionieren.

Ich bin überzeugt, das jeder dieses Verhalten lieben wird, wenn man es einmal etabliert hat. Ich betrachte das Früh aufstehen als eine meiner produktivsten Eigenschaften. Es spart mir hunderte Stunden jedes Jahr und zahlt Tag für Tag Dividende. Ich fand dieses Verhalten auch sehr hilfreich während meines Polyphasenschlaf Experiments.

Man sollte sich das einmal überlegen—wenn man nur 30 Minuten länger schläft am Tag, sind das 180 Stunden mehr im Jahr. Schläft man 60 Minuten länger, sind es schon 365 Stunden, dasselbe wie neun 40-Stunden-Wochen. Das ist eine Menge Zeit! Ich kann mir vorstellen, dass jedem etwas Kreativeres mit dieser Zeit einfällt, als länger als notwendig im Bett herumzuliegen.

Ich ermutige jeden, es mit dieser Methode zu versuchen. Ich weiß, dass es albern erscheint, das Aufstehen zu üben, aber was, wenn es wirklich hilft? Was, wenn man mit absoluter Sicherheit wüsste, dass wenn man sich den Wecker auf eine bestimmte Zeit stellt, man dann auch tatsächlich aufsteht egal was passiert? Es gibt keinen Grund, warum man dieses Verhalten nicht für sich selbst in den nächsten paar Tagen aufbauen könnte. Übung festigt das Verhalten.

Und wenn man Tipps benötigt, um das Früh aufstehen zu etablieren, dann empfehle ich diese Artikel:

  1. Wie man Frühaufsteher wird
  2. Wie man Frühaufsteher wird—Teil II

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